Spiralspulen

Juni 2009 / Martin Lieberherr

 

Einleitung

Wie gross ist das Magnetfeld im Zentrum einer Flachspule, deren Leiter die Form einer Spirale hat? Die Berechnung der magnetischen Feldstärke ist eine hübsche Abwechslung gegenüber der immergleichen Kreis- oder Zylinderspule. Archimedische Spiralen werden gelegentlich in Platinen geätzt. Sie können als Feldspulen dienen oder als Empfangsspulen.

 

Theorie

Unter "Spirale" will ich hier eine ebene Kurve verstehen, welche einfach und sinnvoll durch eine Funktion  in Polarkoordinaten beschrieben werden kann. In kartesischen Koordinaten lautet die Darstellung  und . Der Strom fliesse entlang der Spirale. Die Felder der Zu- und Ableitungen werden ignoriert. Mit dem Biot-Savart Gesetz lässt sich die magnetische Feldstärke im Zentrum (Nullpunkt oder Pol des Koordinatensystems) berechnen:

Die Feldstärke im Nullpunkt ist senkrecht zur Spiralenebene (z-Richtung) gerichtet. Das negative Vorzeichen steht deshalb da, weil  die Gegenrichtung zur üblichen Definition im Gesetz hat. Das vom Strom  durchflossene Spiralenstück  kann aus der Spiralenfunktion  berechnet werden:

  und 

Die z-Komponente der Feldstärke ist somit:

       mit einsetzen und vereinfachen folgt:

Das hätte man auch erraten können! Radiale Anteile von Leitern haben keinen Einfluss auf die Feldstärke im Nullpunkt des Polarkoordinatensystems.

 

Test: Kreis

Wir testen das allgemeine Resultat mit der Feldstärke im Zentrum eines Kreisstroms:

    Stimmt! 

Für einen Kreissektor mit Zentriwinkel  folgt:

 

 

 

Anwendung auf "echte" Spiralen

Das Kreuz in den folgenden Abbildungen bezeichnet jeweils den Koordinaten­ursprung (Nullpunkt), wo die magnetische Feldstärke berechnet wird.

Abb. 1: Archimedische Spirale


Dieser Ausdruck ist nur definiert, falls .

 

Von der Archimedischen Spirale zur runden Flachspule

Aus der Formel für die Feldstärke im Zentrum einer Archimedischen Spirale sollte sich der Ausdruck für die Feldstärke in der Mitte einer Kreisspule gewinnen lassen.

Aus  sowie  und  folgt

Mit  und  folgt:

Der letzte Ausdruck ist tatsächlich in erster Ordnung jener einer Kreisspule.

 

 

Abb. 2: Logarithmische Spirale

 
 

 

Abb. 3: Hyperbolische Spirale

 

 

Abb. 4: Kardioide


 
     (Hauptwert)

 

Abb. 5: Randkreis

  n. def.,  Hauptwert:
 

 

Abb. 6: zentrierte Ellipse

 
Führt auf ein "elliptisches Integral".

 

 mit  folgt  
 
 
  

Die Stammfunktion des letzten Integranden ist ein elliptisches Integral 2. Art. Die Reihenentwicklung des ganzen Integrals in  lautet (Maple):

Für  folgt wieder der Ausdruck für einen Kreisstrom.

 

 

Abb. 7: "fokussierte" Ellipse
  mit

 
  (Kontrolle: Kreis r = p, korrekt)

 

Abb. 8: "fokussierte" Parabel

 

Das Quermass p ist der vertikale Abstand () vom Brennpunkt zur Parabel.

 

(Hyperbel siehe Abbildung 19)

 

Abb. 9: Pascalsche Schnecke

  für  

 

 

Kontrolle: Im Grenzfall b = 0 sollte die Feldstärke im Kreiszentrum herausschauen:

  ist korrekt.

Man muss beachten, dass der Tangens periodisch ist, d.h. der Arkus Tangens kann noch Integrationskonstanten der Art  mit ganzzahligen n liefern (Nebenäste):

 

Der Vergleich mit den Kreis, die Logik und numerische Tests zeigen, dass n = 1 ist.

 

Abb. 10: Exzentrischer Kreis

mit Zentrum bei  und Radius R


Führt auf sog.  elliptische Integrale.

 

Das Integral in Abb. 10 lässt sich nach dem Parameter a entwickeln. Der Mittelpunkt des Kreises mit Radius R ist um die Strecke a aus dem Nullpunkt verschoben. Die ersten Terme der Reihe lauten (Maple):

 

Abb. 11: Astroide

Das Integral lässt sich numerisch berechnen:

 

Abb. 12: Lamé-Kurve, "Superellipse"
(Abb. für n = 1)
 und  sind die "Halbachsen". Für n = 1 gilt:

 

 

Im Zentrum einer quadratischen Leiterschleife (Rahmenspule) mit Kantenlänge s und Diagonale d hat die Feldstärke somit den Wert:

 

 


Abb. 13: Lemniskate

+ oder - je nach Stromrichtung. Das Integral hat den numerischen Wert 0.9270373...

 

Abb. 14: Fermat-Spirale
 


Man könnte sogar im Nullpunkt starten.

 

Abb. 15: Galilei-Spirale

 



Abb. 16: Lituus (Krumm-/Bischofstab)



Integration ab  ist möglich.

 

Abb. 17: horizontale Gerade
 

 

Abb. 18: schiefe Gerade

mit den Achsenabschnitten a und b.

  wobei
 und

  
  
   
(Betrachte die Fläche im Achsenabschnitt-Dreieck mit Höhe d:  )

 

Abb. 19: "fokussierte" Hyperbel
(Nullpunkt im linken Brennpunkt)
  mit

 

 

Asymptoten bei
,  
In der Abb. ist  

 

Magnetfeld des linken Hyperbelasts (Abb. 19), der näher am Nullpunkt vorbeiläuft:


 
 

Das Integral über den anderen Ast ist

 

Abb. 20: Seestern             (n = 5)
 ,  

  für  

(Rechnung s. Pascalsche Schnecke, Abb. 9)

 

Abb. 21a: reziproke Fourierreihe
 ,  

       

hier: n = 7. Die Fourierreihe im Nenner ist eine "Dreieckfunktion":
sin(x)-sin(3x)/32+sin(5x)/52-sin(7x)/72+..

 

Abb. 21b: reziproke Fourierreihe
 ,  

       

hier: n = 7, "Rechteckfunktion". Man erkennt das typische Überschwingen bei den Stufen.
sin(x)+sin(3x)/3+sin(5x)/5+..

 

Kreisevolvente und Epi- oder Hypozykloiden würden auch noch hierher passen, aber sie lassen sich meist nicht durch eine einfache Funktion  darstellen.

 

 

Spiralen als Magnetfeldsensoren

Archimedische Spiralen werden als flache Sensorspulen für magnetische Wechselfelder eingesetzt. Sie haben den Vorteil, dass sie mit lithographischen Verfahren fast beliebig miniaturisiert werden können.

Angenommen, die Spirale werde von einem magnetischen Wechselfeld senkrecht zur Spulenfläche durchsetzt, welche Induktionsspannung kann man an den Anschlüssen abgreifen? Die Anschlüsse sollen beim gleichen Polarwinkel liegen.

  (Faraday'sches Induktionsgesetz)

Die Induktionsspannung ist proportional zur Spulenfläche A.

Mit  ,  und   folgt 
 und .

 

Abb. 22: Archimedische Spirale
 Für die wirksame Fläche gilt:

 

Kontrolle: Für  (Kreisspule) folgt  was stimmt.

 

Abb. 23: Rechteckige Spirale als Antenne
(Gefunden in einem Fahrschein der Verkehrsbetriebe Venedig, Sommer 2008)

 

 

Ausblick: Darstellung ebener Graphen in kartesischen Koordinaten

Ein stromführender Draht werde mit der Funktion y(x) beschrieben. Welche Feldstärke beobachtet man im Nullpunkt des kartesischen Koordinatensystems?


            "Strom nach rechts" (Richtung positive x)

 

Test:   

  (stimmt)

 

Test:   

  (stimmt)

 

Für andere Funktionen wird das Integral leider schnell kompliziert. Die Darstellung in Polarkoordinaten hat hier also tatsächlich Vorteile.